KI in der Software-Entwicklung: Nicht immer ein Beschleuniger

Es ist eine Tatsache, dass der Einsatz von KI-Tools die Produktivität in der Softwareentwicklung steigern kann. Stimmt das?

Nun, nicht immer. Paradoxerweise gibt es Fälle, in denen KI-Tools die Entwicklung sogar behindern können.

KI in der Software-Entwicklung

Wenn der Einsatz von KI in der Software-Entwicklung ein Nachteil ist–Erfahrungen aus der Praxis

In den letzten Jahren haben viele Unternehmen stark in KI-gestützte Entwickler-Tools investiert – in der Hoffnung auf schnelleres Coden, höhere Produktivität und schlankere Teams. Doch was passiert, wenn diese Versprechen in der Realität auf die Probe gestellt werden?

Eine neue randomisierte kontrollierte Studie (RCT), durchgeführt Anfang 2025 von METR, liefert eine ernüchternde Erkenntnis: Erfahrene Open-Source-Entwickler arbeiteten an realen Aufgaben mit modernsten KI-Tools um 19% langsamer, als ohne deren Nutzung.

Besonders bemerkenswert: Die Teilnehmer — hochqualifizierte Entwickler von großen Open-Source-Codebasen — erwarteten eine Beschleunigung von 24 % durch KI und fühlten sich nach der Nutzung sogar 20 % produktiver. Dieser Gegensatz zwischen Wahrnehmung und messbarer Leistung wirft wichtige Fragen für Unternehmens- und Technikverantwortliche auf, die KI breitflächig im Unternehmen einführen wollen.

Warum steigerte KI nicht die Produktivität?

Die Entwickler im METR-Experiment arbeiteten an ausgereiften, komplexen Open-Source-Projekten – manche mit über einer Million Codezeilen. In diesem Umfeld hatten die KI-Tools (Cursor Pro mit Claude 3.5 und 3.7 Sonnet-Modellen) mit mehreren Herausforderungen zu kämpfen:

  • Hohe Codebasis-Vertrautheit: Erfahrene Entwickler kannten die Architektur und Konventionen bereits im Detail – wenig Raum für die KI, „Abkürzungen“ zu liefern.
  • Große und komplexe Repositories: Aktuelle LLMs haben Schwierigkeiten, umfangreiche Codebasen sinnvoll zu verarbeiten — relevante Kontexte gehen verloren oder werden falsch interpretiert.
  • Lücken im impliziten Wissen: Die Tools erkannten unausgesprochene Projektnormen, Benennungsmuster oder subtile Erwartungen nicht, die erfahrene Entwickler intuitiv beherrschen.
  • Interaktionsaufwand beim Prompten: Die KI-Nutzung verursachte Reibung – Entwickler investierten Zeit in Prompts, überprüften Ausgaben, warteten auf Ergebnisse – oft ohne klaren Mehrwert.
  • Geringe Akzeptanzquote: Weniger als 44 % der KI-generierten Vorschläge wurden ohne größere Änderungen übernommen – ein limitierender Faktor für echte Effizienzgewinne.

Was Führungskräfte in Business und Tech daraus lernen können

Für Entscheidungsträger, die KI-gestützte Entwicklung austesten, ist diese Studie eine klare Mahnung: Kontext ist entscheidend. Die Einführung von KI-Tools führt nicht automatisch zu mehr Produktivität – vor allem nicht in Teams, die bereits Experten ihrer Systeme sind.

Das bedeutet nicht, dass KI eine schlechte Investition ist – aber:

  • Gezielte Anwendung ist wichtig: In Greenfield-Projekten, unreifen Codebasen oder bei hohem Onboarding-Aufwand für neue Entwickler sind die Erfolgsaussichten höher.
  • Nicht nur auf Entwickler-Wahrnehmung verlassen: Subjektiv war die Erfahrung positiv, objektiv hinkte die Leistung hinterher. Kontinuierliche Messung und Validierung sind unverzichtbar.
  • Einführung mit Tiefgang planen: Geschäftliche Ergebnisse hängen nicht nur vom Zugang zu KI-Tools ab – auch Arbeitsabläufe, Projektkomplexität und organisatorisches Wissen spielen eine Rolle.

Am wichtigsten ist: Produktivitätsgewinne durch KI sind kein Plug-and-Play – sie erfordern Feinabstimmung, Monitoring und eine realistische Einschätzung, wann und wo die Tools helfen oder behindern.

Zum Schluss…

KI entwickelt sich rasant. Was heute unterdurchschnittlich ist, kann morgen schon führend sein. Aber frühe Experimente wie das von METR liefern dringend benötigten Realismus in einem Hype-getriebenen Umfeld. Für Unternehmen, die stark auf KI in der Softwareentwicklung setzen, wird eine evidenzbasierte Strategie wichtiger denn je sein.



Wie wirkt sich KI auf die Produktivität der Entwickler in Ihrem Unternehmen aus (wenn Sie KI-Tools zur Unterstützung der Entwicklung einsetzen)? Sind Ihre Erfahrungen überwiegend positiv oder sehen Sie Nachteile, wie sie in diesem Beitrag beschrieben werden?

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